1997 schrieb ich die Schauspielmusik zu einer Inszenierung von William Shakespeares "Sommernachtstraum" , der ein sehr reizvolles Konzept zugrunde lag: während Schauspieler die Liebenden, die Handwerker und die Hofgesellschaft spielten, wurden Oberon und Titania, Puck und die Elfen (also alle Fabelwesen) durch Puppenspieler mit äußerst phantastischen Puppen dargestellt. Ich entschied mich, die Musik in Form einer Suite für Harfe und Schlagzeug zu komponieren.
Nachdem diese Arbeit und auch die erfolgreichen 45 Theateraufführungen abgeschlossen waren, fühlte ich mich nachhaltig inspiriert nicht nur durch Shakespeares wunderbares Werk, sondern auch durch das Inszenierungskonzept und - es mag eigenartig klingen - durch meine eigene Musik.
Ich hatte das Bedürfnis, aus den Themen der Suite ein kleineres Konzertstück zu erarbeiten, welches die Atmosphäre des Zauberwaldes, die neckische Lebendigkeit Pucks und die Zartheit der Elfen nicht in getrennten Sätzen einer Suite, sondern eben in einem einzigen Stück reflektiert.
Im Jahr 2000 dann erhielt ich die Gelegenheit, ein Stück für das Duo Bellini zu schreiben, und bei der Besetzung Oboe und Harfe kam mir sofort wieder diese Idee in den Sinn. Das "Nachtstück" ist das Ergebnis. Dabei bestand die Herausforderung nicht primär in der anderen Besetzung, sondern in der formalen Unterschiedlichkeit: während also in der Suite für Harfe und Schlagzeug die unterschiedlichen Charaktere und Begebenheiten (die natürlich weit zahlreicher sind, wie auch die Suite ja umfangreicher ist als das "Nachtstück") in einzelnen, in sich mehr oder weniger geschlossenen Nummern verwirklicht sind, sind sie im "Nachtstück" zu einer nahezu symmetrischen Form vereint: Die Themen von Puck und den Elfen "erscheinen" sozusagen nach einem Anfangsabschnitt, der aus dem musikalischen Material des Zauberwalds geformt ist und führen am Ende auch in dieses Material zurück.
Bei alldem ist jedoch wichtig anzumerken, daß dies - im Gegensatz zur genannten Suite - keine "Programmmusik" im wirklichen Sinne ist. War mein Anliegen bei der Suite, Stimmungen und Charaktere aus Shakespeares Stück widerzuspiegeln, zu erfassen oder zu kommentieren, so ist das "Nachtstück" letztlich doch einfach ein Nocturne für Oboe und Harfe, Musik eben, die in erster Linie zum Hören und weniger dazu gedacht ist, an Shakespeare und seine Figuren zu denken oder überhaupt Assoziationen zu bemühen. Verboten jedoch ist dies freilich auch nicht.